Das Motto war „Kult“ beim vorletzten „Zungenschlag“ im Heidelberger Theater
Von Jutta Schneider
Das Ende einer Ära naht. Nach 30 Jahren wird das beliebte Kult-Kabarett „Zungenschlag“ im November zum 150. und allerletzten Mal über die Bühne des Heidelberger Theaters gehen. Aber erstmal gab’s den vorletzten, bei dem schon deutliche Wehmut zu spüren war, besonders bei den Abendgästen. Darunter das Odenwälder „Halbsatz-Phänomen“ Rolf Miller, der zu Beginn seiner Karriere mit zahlreichen Auftritten beim Zungenschlag erste Erfahrungen gesammelt und dabei seine Bühnenfigur entwickelt hatte. Und der Pianist Wolf Mayer, Urgestein der Band „Schlag auf Schlag“ und mittlerweile Professor an der Hochschule für Musik in Saarbrücken, ließ es sich nicht nehmen, noch einmal am Piano zu brillieren.
Überhaupt – die Musik! Wieder spielte sie eine große Rolle. Mit Rückblicken auf frühere Zungenschläge boten Nina Wurman, Rosemie Warth und Bernhard Bentgens als „Triologie“ ihre legendäre Version von „Don’t fence me in“. Später hupte Frau Warth in die Tuba und begeisterte mit „I feel good“ von James Brown zusammen mit dem Heidelberger Kult-Gitarristen Freddy Wonder, der mit seiner Combo in den 90er Jahren regelmäßig beim Zungenschlag gespielt hatte. Da trifft Kult auf Legende.
Auch Musikalisches, aber aus einer ganz anderen Zeit, präsentierte der niederländische Klavierhumorist und Abendgast Robert Kreis, der sich dem Erbe jüdischer Künstlerinnen und Künstler aus den „Goldenen 20er Jahren“ verschrieben hat. Mit Menjou-Bärtchen und zurückgegeltem Haar zitierte er aus alten Witzbüchern („Wieso findet ein Henker nicht nach Hause? Er kennt nur die Hin-Richtung.“) und vermittelte dem jubelnden Publikum mit Liedern von Fritz Rotter oder Friedrich Holländer die Atmosphäre der Schellackplatten-Zeit.
Gastgeber Axel Naumer lieferte sich – auch schon Kult – reichlich Wortgefechte mit seiner „Assistänzerin“ Frau Warth und informierte gemeinsam mit Jean Michel Räber unter der Rubrik „Zungenschlag-News“ über aktuelle Meldungen. Dabei ging es um die Frage des Atommüll-Lagers in der Schweiz; könnte der deutsche Atommüll da nicht einfach mit reingekippt werden? Und dann war da noch der Versprecher von Kanzler Scholz: „Heizkozenabrechnung“, welch passende Wortschöpfung!
Mit Worten geht Kabarettist Rolf Miller bekanntlich ja eher sparsam um. Nach einiger Zeit des „Einhörens“ ließen sich Episoden über „Jürgen“ vernehmen, der erst betrunken ist, wenn er nicht mehr aus eigener Kraft in die Rückenlage kommt. Verschtehscht? Und dann sind da noch Mick Jagger und seine 12 Kinder: Impotenz ist offenbar nicht sein Fachgebiet. Jeder Satz ein Treffer und manchmal ein „ganz schmaler Spagat“ oder ein „zweigleisiges Schwert“.
Bei Kultigem an allen Ecken und Enden dufte eines nicht fehlen: das Hörspiel um Privatdetektiv Harry Stahl von und mit Jean Michel Räber; wie immer mit genialer Geräuschkulisse von Nina Wurman. Auch wenn Harry Kult ist, wird er nur noch einen Fall lösen und Ende November verschwinden – für immer. Das war er, der vorletzte „Zungenschlag“, diesmal extra-lang und vom Publikum mit stehenden Ovationen bejubelt.
Info: 150. Zungenschlag am 20. November im Heidelberger Theater.