Zum Abschied sangen sie leise Servus

Rückblicke und letzte Überraschungsgäste beim 150. Zungenschlag im Heidelberger Theater
Von Jutta Schneider
Das war’s also. Ab sofort kein „Zungenschlag“ mehr, Heidelbergs erfolgreichste Kleinkunstrevue. Weder im Theater noch auf anderen Heidelberger Veranstaltungsbühnen, wo die Truppe seit 1992 sage und schreibe 150mal aufgetreten ist. Verdientermaßen mit stehenden Ovationen des Publikums ging im Maguerresaal des Heidelberger Theaters eine Ära zu Ende.
„Meilensteine“ hieß das allerletzte Abendmotto, einer davon die göttliche „Schöpfungsgeschichte des Zungenschlags“, zu hören vom Band mit Christian Brückner: „…die Erde war wüst und leer, da schuf der Herr den Zungenschlag. Und der Zungenschlag sprach: Es werde Licht…“.
Eine nicht enden wollende Anzahl von Fotos berühmter Abendgäste wurde projiziert. Später gab es eine Bilderschau der Kostüme von Frau Warth, die nämlich nicht immer nur das rote Faltenkleid getragen hat. Überhaupt, Frau Warth, „Assistänzerin“ von Moderator Herrn Naumer und seine Partnerin bei unzähligen Wortgefechten, bei denen sie mit der ihr eigenen Penetranz immer das letzte Wort behalten hat. Aber sie bewies aktuell bei einem lasziven Tango mit Tanzpartner Johannes Scheurig durchaus auch Führbarkeit.
Überraschungsgäste gaben sich die Ehre, darunter Rundfunk-Redakteur Herbert Antl, der seiner Zeit beim SDR den Mitschnitt der Show ins Radio gebracht hatte, die aber leider nach der Fusion mit dem SWF abgesetzt wurde. Antls Lieblings-Programmpunkt war die „Triologie“, so dass er sich besonders freute über Nina Wurman, Rosemie Warth und Bernhard Bentgens, die mit ihrer Version vom Beatles-Song „Ticket to ride“ begeisterten und ganz zum Schluss mit „Sag zum Abschied leise servus“ für feuchte Augen sorgten. Zungenschlag-Urgestein Thomas C. Breuer, bis 2018 dabei, regte sich mit seinen unvergleichlichen Wortsalven und -schöpfungen mal wieder über die Bahn auf: Andauernd musste er im Online-Ticketportal Cookies bestätigen; das geht auf den Keks!
Auch Heidelbergs Ex-OB Beate Weber-Schuerholz war aus dem fernen Vancouver Island angereist und gemeinsam mit Theresia Bauer aus dem Pfaffengrund genehmigte man sich mit Frau Warth ein Likörchen. Wo war eigentlich Eckart Würzner? Ach so, der trinkt ja lieber Espresso. Und nochmal Gäste: Das Berliner Duo Thomas Pigor (am Klavier) und Benedikt Eichhorn boten satirisch Hintergründiges („Kontrolliert mich, ich bin von hier. Ich habe blaue Augen und mein Deutsch ist perfekt“) und fühlten sich diskriminiert, weil am Bahnhof immer nur die Schwarzen kontrolliert würden.
Eine Überraschungspremiere: Nachdem sie immer nur gesanglich oder als geniale Geräuschemacherin vernehmbar gewesen war, sprach Nina Wurman erstmals zum Publikum! Sie stellte ihre Bandkollegen vor – Daniel Prandl am Klavier, Dirik Schilgen am Schlagzeug, Matthias Dörsam am Saxophon und Stephan Schmolck am Bass. Sie gaben zu fünft nochmal alles mit einer „Zungenschlag-Suite“ aus ihren eigenen Kompositionen.
Auch Harry Stahl, erfolgreicher Hörspiel-Privatdetektiv aus der Feder von Jean-Michel Räber, einem der kreativsten Texteschreiber des Zungenschlags, verabschiedete sich aus dem 23. Stock des Menglerbaues in Richtung Bahnhof. Vor der Haustür wollte er zuvor der Enthüllung seines Standbildes beiwohnen. Aber, oh Schreck, stattdessen stand da ein Gorilla aus Legosteinen. Der Detektiv ermittelte aber rasch, dass Freundin Gerda hinter der Aktion steckte: Sie hatte das Originalstandbild geklaut, damit ihr etwas von Harry blieb.
Selbstverständlich gab es auch reichlich Dankesbekundungen. Herr Naumer dankte allen Beteiligten und nannte eindrucksvolle Zahlen: Bernhard Bentgens hat weit über 200 Lieder komponiert, das Catering 11.432 belegte Brötchenhälften, 24 Hektoliter Kaffee, 22 Teebeutel und eine Flasche Leimener Müller-Thurgau geliefert. Naumers ganz besonderer Dank ging an die Redakteurin Irene Lemke-Stein, die bis zu ihrem Ruhestand vom ersten bis zum 74. für das RNZ Feuilleton den Zungenschlag schreibend begleitet hatte.
Fazit: „Und das Werk wurde vollendet am siebenten Tag, der fortan Zungenschlag-Tag hieß – und das Publikum sah 30 Jahre lang, dass es 150mal gut war.“