Der 147. Zungenschlag als Spieleabend im Heidelberger Theater
Von Jutta Schneider
Eine gute und eine schlechte Nachricht gab es beim 147. „Zungenschlag“ im Heidelberger Theater; zunächst die gute: Es gibt eine neue Rubrik „Lieblingsgäste“; zur schlechten Nachricht kommen wir später.
Das Abendmotto, das Gastgeber Axel Naumer nach diversen Störungen durch seine „Assistänzerin“ Frau Warth verkündete, war „Spieleabend“. Flugs brachte sie einen großen Würfel, den er werfen und ein Spiel erraten sollte, alles regelrecht geregelt – natürlich nach den Regeln von Frau Warth. Sie hatte eine Multifunktions-Kopfbedeckung dabei, womit sie eine virtuose „Chapeaugrafie“ vorführte und, je nach Musikuntermalung, Napoleon, eine Sekretärin, ein Baby und einen Torero spielte.
Auch er wollte nur spielen, und zwar auf dem Flügel: „Keine Angst haben, einfach nur spielen und nicht den Mut verlieren“ sang Bernhard Bentgens, und mit Rosemie Warth und Nina Wurman als „Triologie“ präsentierten er das Lied „Lemmon Tree“. Mit „Games“ von Saxofonist Matthias Dörsam spielte auch diesmal die Zungenschlag-Band „Schlag auf Schlag“ eine aktuelle Komposition.
Um eine höchst gefährliche Art des Spielens geht es in „Der Fatalist“, einer Kurzgeschichte von Literaturnobelpreisträger Isaac B. Singer, die Jean-Michel Räber eindrucksvoll vorlas, mit dramatischer Untermalung von Nina Wurman am Kontrabass. Der polnisch-US-amerikanische Schriftsteller erzählt mit dem ihm eigenen Humor von Fügungen des Schicksals in Art eines Russischen Roulettes und erkennt: Alles was der Mensch macht ist Schicksal, denn freie Wahlen sind Illusion.
Privatdetektiv Harry Stahl in Jean-Michel Räbers Hörspiel ergründete, was faul war im ehemaligen „Faulen Pelz“-Gefängnis, wo er eine illegale Spielhölle mit Geheimausgang entdeckte. Schöner wäre dort doch ein Spiel- und Kultur-Jugendzentrum. Er blickte neun Monate in die Zukunft – und schon ist es eröffnet. Welch großartige Idee.
Und die Rubrik „Lieblingsgäste“? Das sind Künstlerinnen und Künstler, die bereits in früheren „Zungenschlägen“ dabei waren. Beim 68. hatte 2001 erstmals die wunderbare Kabarett-Satirikerin Nessi Tausendschön mitgewirkt und konnte auch diesmal wieder begeistern, mit Gitarrenbegleitung von William MacKenzie. Sie erklärte den Niveauunterschied zwischen Comedians und Kabarettisten mit der korrekten Anwendung des Genitivs: Der eine macht es wegen dem Geld, der andere wegen des Geldes. Und: Kabarettpublikum sei „sexyer“ als Jazz- oder Mittelaltermarkt-Publikum. Deshalb hat sie ihre Zielvorgaben umgestellt und spielt nur noch vor Elitepublikum. Nun wissen wir Bescheid. Im Lied vom Vergessen „Die wunderbare Welt der Amnäsie“ vergaß sie – wen wundert’s – den Text. Wirklich…? Sie improvisierte, und dann folgte auch noch ein Ausdruckstanz. Das Publikum jubelte und sie bedankte sich für „das schöne Geräusch“ – den Applaus.
Den wird das Publikum nur noch dreimal für den Zungenschlag spendieren dürfen, denn mit dem 150. ist Schluss; die beliebte Truppe wird sich nach dreißig Jahren verabschieden. Das ist die schlechte Nachricht.
INFO: Nächster Zungenschlag am 10. April im Heidelberger Theater (mit „Lieblingsgast“ Tim Fischer).