Grenzen aller Art beim 119. Zungenschlag im Heidelberger Theater
Von Jutta Schneider
Europas Sternenbanner flatterte mehrfach am Bühnenhimmel, damit schien das Motto des 119. Zungenschlages festzustehen: Europa. Oder doch nicht? Man habe sich letztlich angesichts der europäischen „Eingrenzung“ lieber für „Grenzen“ aller Art entschieden, erläuterte Moderator Axel Naumer. Und diese überschritt seine „Assistänzerin“ Frau Warth dann gleich in mehrfacher Hinsicht, nicht zuletzt, indem sie ihm dauernd ins Wort und dann auch noch einem Herrn in der ersten Reihe um den Hals fiel. Mit dem Auftritt der bulgarischen Trachtentanzgruppe „Syrtos“ kam aber doch noch ein bisschen Europa ins Spiel.
Bernhard Bentgens liess diesmal singen und begleitete dabei eine seiner Schülerinnen (Christina Houston, 9 Jahre alt) zum Song „Counting Stars“ am Piano; ihr Papa Brian ergänzte den Gitarrensound. Dabei entstand eine Atmosphäre wie in amerikanischen Kinder-Casting-Shows, wo kleine Mädchen einstudierte Gesten präsentieren. Grenzwertig… Immerhin, das Kind konnte schön singen.
Ansonsten wurde der Abend musikalisch wie immer bestens versorgt von der Zungenschlag-Band „Schlag auf Schlag“ und dem Gesang von „Triologie“ (Nina Wurman, Rosemie Warth und Bernhard Bentgens) mit „Imagine“, John Lennons geträumter Grenzenlosigkeit. Eines der Highlights des Abends.
In Optik und Sprechgeschwindigkeit dem gewitzten Wortakrobaten Hans-Dieter Hüsch ähnlich, erschien Theologe und Arzt Manfred Lütz zum Gespräch mit Axel Naumer am Stehtisch. Würden hier etwa Grenzen verschwimmen? Mitnichten! Hat der (linksrheinische) Psychiater als Klinikleiter in Köln-Süd nichts zu tun, so dass er auf Promotion-Tour für sein letztes Buch nicht nur das Zungenschlag-Publikum, sondern sogar die beiden lebenden Heiligkeiten in Rom beglücken muss? Bis zum Schlussapplaus war er leider nicht geblieben; vielleicht wartete schon die nächste TV-Talkshow?
Ein weiterer Abendgast war der junge Kabarettist Till Reiners mit allerhand intellektuellen Gedankengängen, die leider sehr auswendig gelernt und zäh rüberkamen, und mit denen er beim Publikum die Schmunzelgrenze kaum überschritt. Na ja, das kann ja noch werden.
Richtig lachen durfte das Publikum über Privatdetektiv Harry Stahl, den Protagonisten in Jean Michel Räbers Hörspiel, der es mit einer Leiche zu tun bekam, geknebelt mit Zeitungspapier, darauf ein Artikel über den Odenwald. Seine Recherchen – wie kann es anders sein – führten ihn grenzüberschreitend ins hessische Rimbach, wo er mafiöse Zustände aufdeckte.
Wortwitz pur kam zuverlässig auch bei diesem Zungenschlag von Thomas C. Breuer, der sich nicht nur Gedanken über die gefallene innerdeutsche Grenze machte, sondern auch über die bewohnte Lärmschutzmauer in der Bahnstadt als Demarkationslinie zwischen Heidelberg und Mannheim. Fazit: Hauptsache, die Schallgrenze bleibt stabil.