Den Finger in die Wunde gelegt

25 Jahre Zungenschlag. SWR zum Jubiläum leider ausgestiegen

Von Jutta Schneider

Als vor 25 Jahren, am 12. Januar 1992, im Deutsch-Amerikanischen-Institut in Heidelberg die erste Veranstaltung mit Namen „Zungenschlag“ erfolgreich über die Bühne ging, hätte niemand zu träumen gewagt, dass sich diese „KabarettMusikTalkTheaterImprovisationsSpielSpaßShow“ ein Vierteljahrhundert später noch immer solch großer Beliebtheit erfreut. Es liegt an ihrem unübertroffenen und soliden Grundkonzept, das so flexibel und breit angelegt ist, dass jedes Mal aufs Neue ein nicht vorhersehbarer Abend herauskommt, immer nach dem Grundsatz „Wir und Gäste“. In Heidelberg gab und gibt es seither nichts Vergleichbares. Die Gästeliste über zweieinhalb Jahrzehnte liest sich wie ein „Who’s who“ der deutschen Kleinkunst. Umso mehr schmerzt es die Truppe um Moderator Axel Naumer, dass nun – ausgerechnet im Jubiläumsjahr – der SWR als wesentlicher Förderer des „Zungenschlags“ ausgestiegen ist.

Glücklicherweise hinderte dies aber nicht daran, zur aktuellen 131. Show im Heidelberger Theater unter dem Motto „Zusammen und allein“ wieder hochkarätige Künstler einzuladen. Eröffnet wurde der Abend vom herausragenden A- cappella-Vokalensemble „OnAir“ aus Berlin: Zwei Sängerinnen und vier Sänger, die das Publikum in ihre Klangwelt mitrissen mit Selbstkomponiertem und Titeln von Grönemeyer über Rammstein bis hin zur schräg-schönen Interpretation des Volkslieds „Wenn ich ein Vöglein wär‘“.

Für böse-witzige Betrachtungen steht Abendgast Sarah Bosetti, freie Berliner Autorin und Radiokolumnistin. Sie erklärte die Welt und noch mehr und brachte die Dinge auf den Punkt: Feminismus ist ein notwendiges Übel, also entzieht ihm doch einfach seine Notwendigkeit! Oder: Das Gehirn hat die Form eines gepressten Dickdarms, und so manch eines produziert nur braune Masse; ob der liebe Gott da etwas falschherum eingebaut hat?

Selbstverständlich präsentierte sich auch das Zungenschlag-Stamm-Team (Nina Wurman, T.C. Breuer, Jean Michel Räder und Bernhard Bentgens nebst der Band „Schlag auf Schlag“) für den Einstieg ins Jubiläumsjahr wie immer musikalisch und wortreich. „Assistänzerin“ Frau Warth musste diesmal leider aufgrund anderweitiger Terminverpflichtungen aussetzen. Schade. Mit einer erstaunlich aktuellen Rede aus Shakespeares „Thomas Morus“ (um 1604!) legte Jean Michel Räber den Finger in die Fremdenhass-Wunde.

Thomas C. Breuer lieferte die Definition des „Zungenschlag“-Teams schlechthin: ein Rudel Einzelgänger mit Schwarmintelligenz. Damit stieß er beim Publikum auf kollektiv begeisterte Zustimmung. Vielleicht überlegt es sich ja der SWR nochmal, denn ohne die Übertragung dieser beliebten Veranstaltung wird sein Radioprogramm ärmer werden.