Ordnung ist das halbe Leben

Heidelbergs Hippie-Zeiten, Österreicher und anderes beim 122. Zungenschlag im Heidelberger Theater

Von Jutta Schneider

Ordnung! Endlich ein „Zungenschlag“-Thema, das der „Assistänzerin“ von Moderator Axel Naumer, Frau Warth, ganz besonders entgegen kam, konnte sie doch gleich auf der Bühne mit einem Laubsauger Ordnung schaffen, Wäsche auf einer Wäscheleine ordentlich gebügelt(!) aufhängen oder sich über die unordentliche Frisur eines Zuschauers ereifern.

Ihr Kollege Thomas C. Breuer stocherte in der Ordnungs-Wunde und nahm die neue Heidelberger Polizeiverordnung aufs Korn: Wer hätte geahnt, dass fürderhin das Kampieren auf Verkehrsinseln untersagt sein wird und für Hausnummern ausschließlich Ordnungszahlen vorgeschrieben sind?

Die Musiker der Zungenschlag-Band „Schlag auf Schlag“ präsentierten Nat King Coles „Straighten up and fly right“ mit Sängerin Nina Wurman, die später zusammen mit Rosemie Warth und Bernhard Bentgens als „Triologie“ à capella ein wunderschönes Herbstlied-Medley darbot. Sehr ordentlich! Aber der absolute Ordnungsrepräsentant in der Musik ist ja bekanntermassen Johann Sebastian Bach, von dessen Klängen sich Frau Warth zusammen mit Tänzer Jonas Frey zu einer „Ordnungsvisualisierung“ in Form eines gekonnten Pas de deux hinreissen liess.

Passend zum Abendmotto – hat doch die einstige Ordnungsmacht die Stadt verlassen – auch der Ausschnitt aus Nina Wurmans aktueller Produktion des Heidelberger Theaters im Zwinger1 „Ami goes home“ (die RNZ berichtete), stimmgewaltig präsentiert von vier Mitglieder des Theaterensembles.

In Heidelbergs unordentliche Zeit der 1970er Jahre, als „Hippie-Insel in einem Meer der Ordnung“ (so titelte damals „Die Welt“), landete Privatdetektiv Harry Stahl in Jean Michel Räbers Hörspiel, nachdem er in der Unteren Straße (auch heute noch eher unordentlich) durch einen Schlag mit einer Bierflasche über den Kopf ins Land der Träume befördert worden war, wo er die Unordnung in einer Hippie-WG und in der Hauptstraße (es fuhren noch Autos und Straßenbahn!) miterleben konnte.

Herr Naumer hatte aber noch mehr anzukündigen. Was ist es, das Deutsche und Österreicher trennt? Die gemeinsame Sprache! Zur Bekräftigung dieser Erkenntnis waren gleich zwei Österreicher zum Zungenschlag eingeladen worden:

Der Wiener Severin Groebner holte direkt aus zum Rundumschlag: Die Deutschen können alles – ausser Nichtstun! Es gibt immer etwas zu tun; welch süßes Versprechen als Werbebotschaft eines der unzähligen Baumärkte hierzulande! Für Wiener wäre das eine gefährliche Drohung, sind sie doch lieber untätig und nur in ihrem Element, wenn sie leiden können.

Dass Österreicher leider kein Oktoberfest und keinen Karneval haben, erkannte Groebners steierischer Landsmann Christof Spörk. Allerdings gibt es ja den Wiener Opernball, bei dem ebenfalls ein ordentlicher Dresscode vorausgesetzt wird; und hier wie dort hören sich die Besucher nach dem soundsovielten Glas dann sowieso gleich an.

Das Publikum bedankte sich am Ende mit ordentlichem Applaus.