Wie Phönix aus dem Aschenbecher

146. Zungenschlag im Heidelberger Theater
Von Jutta Schneider
„Neustart“ ist dieser Tage in aller Munde, also ein naheliegendes Motto für den 146. Zungenschlag. In den vergangenen 19 Monaten hatte es ja nur zwei Hörversionen der beliebten Show gegeben. Nun also endlich wieder live auf der Bühne und vor vollem Haus. Und das Masken tragende Publikum bedankte sich mit kräftigem Applaus.
Gastgeber Axel Naumer versprach nicht zu viel, als er für den pausenlosen, knapp zweistündigen Abend ein Programm mit viel Neuem ankündigte. Seine „Assistänzerin“ Frau Warth hingegen blieb trotz allerhand operativer Korrekturen „obenrum“ ganz die alte, wenngleich ihr bandagiertes Gesicht zunächst anderes verhieß. Immerhin hatte sie die Falten ihres Kleides mit Botox aufspritzen lassen. Neu war, dass sie mit internationalen Tanzeinlagen in ihrer unvergleichliche Art brillierte.
Bernhard Bentgens stieg in seinem aktuellen Lied „Wie ein Phönix aus dem Aschenbecher“. Gemeinsam mit Rosemie Warth und Nina Wurman als „Triologie“ sang er später „Close to you“ – im Corona-Lockdown kaum denkbar. Die Band „Schlag auf Schlag“ konnte mit Bassist Stephan Schmolcks Komposition „Renaissance“ eine Wiedergeburt feiern, und besonders viel Beifall erhielt sie für die Weltpremiere von „Every Single Day New“, von Nina Wurman komponiert und wunderbar gesungen.
Beim „Zungenschlag-Radio“, wie immer mit O-Ton-Einspielern, sinnierten Axel Naumer und Jean Michel Räber, ob denn die „Zitrus-Koalition“ in eine Fortschritts-Koalition oder eine Zukunfts-Koalition mündet. Wo aber bleibt die Gegenwart? In Großbritannien fehlt es an LKW-Fahrern – ob der alte LKW-Führerschein der Queen noch gültig ist? Und: Ob in Berlin die Wahlloklale inzwischen geschlossen sind?
A propos Berlin: Einen gewagten Neustart hatte Abendgast Frank Lüdecke hingelegt, als er kurz vor Corona das Kabarett „Stachelschweine“ übernahm; dann wurden in Berlin aber bekanntlich zuallererst die Theater geschlossen. Er legt nun mit neuem Programm wieder los, woraus er kabarettistische Highlights bot. Beim Wahlkampf konnte er dazu aus dem Vollen schöpfen und fragt sich, ob die schwierige Koalitionssituation zustande kam, weil wir Deutschen wollen, dass Frau Merkel noch eine Weile Kanzlerin bleibt? Sein Fazit zu einigen MinisterInnen: Sie haben nicht gelogen, ihre Aussagen passten nur einfach nicht zur Aktenlage. Und dann die Kosten der Flüchtlingskrise: Wären Spahn und Scheuer rechtzeitig abgeschoben worden, hätten eine Menge verschwendeter Steuermillionen dafür genutzt werden können…
Im Hörspiel von Jean Michel Räber wagte Privatdetektiv Harry Stahl einen Neustart in einem Häuschen am Waldrand von Neckargemünd (fulminante Geräuschbegleitung: Nina Wurman). Weil aber seine Freundin Gerda dies mit allerlei Spuk hintertrieb, fand er sich halt am Ende doch wieder in seinem Büro „im 23. Stock des Menglerbaues“.
Auch die Poesie kam an diesem Abend nicht zu kurz und es wurde von den beiden großen H.H.s der deutschen Dichterzunft zitiert: die aktuell passenden Gedichte „Die Wahlesel“ von Heine und „Stufen“ von Hesse „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne…“.

INFO: Nächster Zungenschlag am 20.2.2022 im Heidelberger Theater.