Eine Träne im Knopfloch

Kommen und Gehen beim 139. Zungenschlag im Heidelberger Theater

Von Jutta Schneider

Eine Tür stand auf der Bühne im Heidelberger Theater. Während Nina Wurman und die Band „Schlag auf Schlag“ von den Beatles „Hello Goodbye“ sangen und spielten, konnte das Publikum das Abendmotto des „Zungenschlags“ bereits erahnen. Und dann kamen alle Mitwirkenden des Abends durch diese Tür, einer von ihnen zum letzten Mal. Aber davon später.

Gastgeber Axel Naumer kündigte mit Christine Prayon zunächst eine scharfzüngige Kabarettistin an, die den meisten als „Birte Schneider“ der „heute-show“ bekannt sein dürfte. Sie erfreute das Publikum mit Tagebucheinträgen einer in ihren Mathelehrer verliebten Fünfzehnjährigen, mit allen Illusionen, die sich Mädchen in diesem Alter so machen. Nach drei Tagen war der Mathelehrer passé und die aussichtslose Liebe galt nun einer Eisverkäuferin. Dumm nur, dass die mit dem Eisdielenbesitzer verheiratet war, und dass dann auch noch Mama die Einträge las. Goodbye Tagebuch. Auch an einem „Frauen“-Roman hatte sie sich versucht: Einer Art Groschenroman-Geschwurbel, aber – so die Reaktion eines Verlags – dann doch zu emanzipatorisch. Das wollte sie nicht auf sich sitzen lassen und lief zu Höchstformen auf: Emanzipation sei schlimmer als Kommunismus, wie Tripper im Vatikan, wie Unkraut in der Bundesgartenschau! Also, goodbye Romanschreiben.

An sein „Hello“ mit Heidelberg 1989 erinnerte sich Jean Michel Räber: Man konnte noch problemlos in der „Destille“ versacken, hatte noch alle (schwarzbraunen) Haare und übte Widerstand beim Uni-Hausmeister. Nie hat er in all den Jahren an ein „Goodbye“ Heidelberg gedacht, denn hier leben seine liebsten Freunde und hier gibt es die „coolste Show“ südlich von Mannheim mit dem besten Publikum – den Zungenschlag. Sein höchst vergnügliches Hörspiel um Privatdetektiv Harry Stahl war diesmal ein Zweiteiler, vor und nach der Pause. Die Aktionen um blaues Wasser und verschwundene Bustouristen endeten im Europäischen Hof beim „Virtuellen Couchreisen“ Dabei wieder unvergleichlich beim Geräuschemachen: Nina Wurman.

Und dann kam jener, der gekommen war, um zu gehen: Thomas C. Breuer, einer der Gründer des Zungenschlags und diesmal zum letzten Mal dabei. Als vor 30 Jahren alles begann, durfte man auf Passfotos noch lächeln, Essen hieß noch nicht „food „und Speck noch nicht „bacon“. Tempi passati. Das Kabarett ist nun in den Händen echter Profis (Klöckner, Spahn, Heidi Klum…), so dass ein Kabarettist heutzutage nichts mehr erreichen kann. Also zitierte er Karl Lagerfeld: „Zukunft ist die Zeit, die übrig bleibt“, und die will Thomas C. Breuer nutzen.

Die Zungenschlag-Familie verabschiedete sich von ihm mit liebevoll zusammengestellten Zitaten aus seinen Texten, und als Überraschungsgast erschien sein alter Weggefährte Sänger Julian Dawson. Er sang “Sunday into Saturday Night” zusammen mit „Triologie“: Nina Wurman, Bernhard Bentgens und Julia Apfelthaler-Lindhorst, die – stimmlich ebenso begabt – den Part der leider erkrankten Rosemie Warth übernahm. Mit „Standing Ovations“ des Publikums wurde „Ti Ci“ verabschiedet. Ganz gerührt war er und wird uns allen fehlen.