Gemeinsam in der „Schattigen Tanne“?

Geheimforschungen und Vokal-Tragödien beim 141. Zungenschlag im Maguerresaal des Heidelberger Theaters

Von Jutta Schneider

Was lässt sich nicht alles in einer Gemeinschaft (neudeutsch „Communitiy“) machen? Das „Zungenschlag“-Team um Moderator Axel Naumer bot im Maguerresaal des Heidelberger Theaters dafür diverse Varianten. Eine gerne genutzte ist der Chor. Und noch ehe der Vorhang aufging war klar, wer die 14 im Zuschauerraum verteilten jungen Leute in schwarz-gelber Kleidung waren, denn sie standen auf und sangen. „Beauties and the Beats“, so der Name dieses Neckarsulmer A-Capella-Chores, gehörten – um es gleich vorweg zu nehmen – zu den bejubelten Gästen des Abends. Durch Stimm-Percussion, einer Art Mundschlagzeug („Beatbox“), entstand der Eindruck, sie sängen mit Instrumentalbegleitung und begeisterten mit ganz besonderen Arrangements von Grönemeyers „Ein Stück vom Himmel“ (zum Weinen schön), einem Udo-Jürgens-Medley und mitreißenden Samba-Rhythmen.

Die Zungenschlag-Protagonisten waren musikalisch aber nicht minder gut drauf: Als „Triologie“ sangen Nina Wurman, Bernhard Bentgens und Rosemie Warth „Our House“. Wie immer zuverlässig bot die Zungenschlag-Band Jazziges (diesmal u.a. von Bassist Stephan Schmolck) und mit Nina Wurman den Beatles-Song „Come together“. Auch Bernhard Bentgens hatte die Zuschauer bei seinem Lied „Ui Ui“ voll im Griff.

Ein legendärer Text von Dieter Hildebrandt über eine ganz besonders deutsche Art der Gemeinschaftsaktivität, den Stau, wurde von Jean-Michel Räber zum großen Vergnügen des Publikums zitiert. Sein Hörspiel-Privatdetektiv Harry Stahl untersuchte später im Auftrag einer verlassenen Volkspartei dubiose und kriminelle Vorgänge um einen Bluttest zur Früherkennung von Grünen-Wählern. Zwar konnte er im Uniklinikum Geheimforschungen von Prof. Söhnlein an grünen Antikörpern aufdecken, verursachte dann aber eine Explosion, die alles in die Luft fliegen ließ.

Für den erkrankten Abendgast Philip Simon konnte Nektarios Vlachopoulos gewonnen werden. Der ehemalige Heidelberger Germanistik-Student (17 Semester!) hat es immerhin zum Baden-Württembergischen Kleinkunstpreis gebracht. Seine humorvollen Darbietungen reichten von einem Bericht über den Besuch einer überfüllten Rave-Party („Voll reduziert alles!“) hin zur Erkenntnis: Die meiste Zeit im Leben sprechen wir komplett auswendig. Sagte es und las seine witzige Vokal-Tragödie vor – eine geniale Reminiszenz an Ernst Jandl („Ottos Mops“).

Und Frau Warth? Sie hat sich fürs Alter eine gemeinschaftsorientierte Nebeneinnahme geschaffen und will Herrn Naumer rechtzeitig in ihr Altenheim „Zur schattigen Tanne“ verfrachten, mit Flatrate für Knäckebrot und Pumpernickel. Denn merke: Fängt die Tanne erst einmal an zu nadeln, ist es zu spät. Oder soll sie als Clownin mit allerlei selbstgebastelten Instrumenten tingeln gehen? So jedenfalls begeisterte sie mit „Marmor, Stein und Eisen bricht“ und innigen Umarmungen die Zuschauer und hatte die Botschaft: Wir dürfen einfach nicht aufhören mit dem Zungenschlag. Also dann!

INFO: 142. Zungenschlag am 15. September 2019 (Vorverkauf für Fördermitglieder an der Theaterkasse ab 1. Juli).