Mancher Käse reift nur mit Wagner

Genuss ohne Reue beim 142. Zungenschlag im Maguerresaal des Heidelberger Theaters

Von Jutta Schneider

Wie könnte das Abendmotto des jüngsten „Zungenschlags“ gelautet haben, bei dem Frau Warth, die beliebte „Assistänzerin“ von Gastgeber Axel Naumer, eine Massage hingebungsvoll entgegennehmen konnte? Ja, endlich mal etwas für sich selbst tun und – Genießen, auch das will gelernt sein. Und so wurde folglich zum Thema „Genuss“ reichlich Material geboten auf der großen Bühne des Heidelberger Theaters. Der Gastgeber selbst gab sich – wie meistens – ein wenig spröde und ließ sich, weniger von Frau Warth, aber letztlich doch vom muskelbepackten Masseur Siegfried mitreißen. Auch die Angebote der anderen Zungenschlag-Protagonisten durfte das Publikum genießen: ob ein Lied von Bernhard Bentgens, eine Komposition von Saxophonist Matthias Dörsam (mit der Band „Schlag auf Schlag“), oder Nina Wurman, die über flüssige Genussmittel sang. Erst „I like coffee, I like tea…“, später mit Bernhard Bentgens und Frau Warth nebst Blumendeko und Ukulelebegleitung „Rum and Coca-Cola“.

Auch beim Hörspiel um Harry Stahl ging es um (Trink-)Genuss, denn der Privatdetektiv hatte herausgefunden, dass ein solcher in der Unteren Straße nicht mehr möglich war, weil sich alle Kneipenwirte in die Karibik abgesetzt hatten, damit dort ihre trinkfreudige Klientel ungestört lärmen konnte. Aber der Hörspiel-Autor und „Berufsschweizer“ Jean-Michel Räber erweckte auch noch eine andere Figur zum Leben. Als Schweizer „Käseflüsterer“ Guido Löchli gab er Einblicke in das Geheimnis musikalischer Käseherstellung: Mancher Käse verträgt zum Reifen nur Bach, Emmentaler hingegen braucht für runde Löcher die tiefen Frequenzen von Bruckner, Wagner oder dem späten Verdi; bei Mozart fängt er an zu schwitzen. Welch herrliche Vorstellung und eine ganz neue Perspektive für die Käsetheke!

Selbstverständlich gab es auch Abendgäste bei diesem ersten Zungenschlag der neuen Spielzeit. Zunächst erläuterte Poetry-Slammer Moritz Konrad (23), dass auch junge Menschen genießen könnten, wären sie mehr „Freilandkinder“ und hätten weniger Helikoptereltern.

Und dann kam der schon etwas gereiftere Kai Magnus Sting aus „Düüsburch“. Ein wortgewaltiger Erzähler komischer Alltagssituationen, der beim Publikum reichlich Lachsalven hervorrief. Sein Problem beim Älterwerden? Um ihn herum werden alle jünger. Ernährungsumstellung? Er ist nicht der Typ für „knackige Salate“; im Ruhrgebiet kennt man nur Mehlschwitze. In seinem Alter Belastungs-EKG beim Arzt? Hömma! Bringt gar nichts, wenn die Praxis in der 2. Etage liegt, denn dann geht nichts mehr. Whatsapp-Gruppen? Gab es im Pott immer schon: einfach Fenster auf, Kissen raus gelegt und mit der Nachbarschaft geklönt. Telefonieren früher? Nur vom Drehscheiben-Apparat im Flur auf dem Telefontischchen mit Brokatdeckchen „über Eck“, und: nach sechs (Uhr) war billiger. Lachense, wenn et für mehr nich reicht! Für das Publikum ein absoluter Genuss ohne Reue.

 

INFO: 143. Zungenschlag am 16. Februar 2020 (Achtung: Der Vorverkauf an der Theaterkasse beginnt bereits am 2. November 2019).