Technik-Vielfalt und Technik-Nullen beim 115. „Zungenschlag“ im Heidelberger Theater
Von Jutta Schneider
Das neue Heidelberger Theater, ausgestattet mit eindrucksvoller Bühnentechnik, brachte das Zungenschlag-Team auf ein Super-Motto für seinen 115. Abend: „Technik“. Welch enorme Vielfalt verbirgt sich hinter diesem Begriff.
Zunächst war da die Serviettentechnik, angewandt von Moderator Axel Naumers „Assistänzerin“ Frau Warth, die ihren Chef – quasi als modische Geschmacksverstärkerin – in ein mit bunten Bildchen aufgepepptes Jackett kleidete, um so dem „Grau des Grauens“ entgegen zu wirken. Für sich selbst hatte sie sich einer anderen Technik bedient, erschien im bekannten Faltenkleid, aber „origamisiert“ aus Papier und versuchte sich später rein solistisch in „Liegetechniken“ aus dem Kamasutra. Aber Hallo!
Thomas C. Breuer hingegen bezeichnete sich als „Technik-Null“ („Isch kennt grad heile!“), informierte dann aber über einen demnächst in Heidelberg stattfindenden Weltkongress der Atemtechnik. In unserer Stadt wird ja gerne geatmet, wenn auch zuweilen lang…Wäre im Sommer ein „Zungenschlag“ im Sauerstoffzelt technisch zeitgemäss mit einem Workshop „Schnappatmung für Schnäppchenjäger“ und dem Verkauf von Atemlosen?
Geräuschtechnisch enorm einfallsreich war Nina Wurman – die zuvor eine wunderbare Version von „The Rose“ gesungen hatte – beim Hörspiel von Jean Michel Räber. Dessen Protagonist Privatdetektiv Harry Stahl konnte allerlei (gen)technische Verstrickungen um einen geheimnisvollen Heidelberger OB-Kandidaten für das Wahljahr 2014 erfolgreich aufklären.
Auch auf dem musiktechnischen Sektor hatte der aktuelle Zungenschlag Qualitätvolles zu bieten: Ob mit der Band „Schlag auf Schlag“ und einer Komposition („Screw“) ihres Bassisten Stefan Schmolck, oder mit Bernhard Bentgens am Piano solistisch und zusammen mit Rosemie Warth und Nina Wurman a cappella als Gesangstrio „Triologie“.
Eine höchst effiziente und zeitsparende Art der Erzähltechnik bot Marcus Jeroch, einer der beiden großartigen Abendgäste: Buchstabeneinsparung. Damit es knapper wird, lässt man einfach einen Buchstaben aus dem Alphabeth weg: -ie Zuschauer waren -urchaus trotz-em in -er Lage -em Wortakrobaten zu folgen; -as aber sch-ierig -ir-, -enn z-ei o-er -rei Buchstaben entfallen. -un-erbar! Er tat sich zudem hervor als geübter Märchenerzähler mit einer ganz eigenen Version von “Dornröschschen“ in Reim-Technik.
Nur auf Geräusche reduziert und mit bewegungstechnisch eindeutigen Gesten begeisterte der zweifacher Weltmeister der Manipulation „Topas“, bürgerlich Thomas Fröschle: Seine Bestellung am Straßenschalter eines Schnellrestaurants war saukomisch. Kamen die Geräusche dazu aus seinem Mund oder womöglich doch vom Band? Und seine technisch astreine Pantomime zu einem Howard-Carpendale-Schlager – die war einfach umwerfend.
Am Ende zeigten die Zuschauer, dass sie applaustechnisch eine Menge drauf hatten, und sie dürfen gespannt sein auf den 116. Zungenschlag, der bereits zum Thema „Musical“ in Vorbereitung ist.